programm 2001

3.11. Sa - 4.11. So Schauspielhaus Zürich
WAS IHR WOLLT William Shakespeare
Regie: Christoph Marthaler
Divadlo na Vinohradech

Christoph Marthaler (1951), Künstler, der für das Theater der verschiedensten Genres immer wieder eine neue Sprache entdeckt, ist auch auf der tschechischen Bühne längst kein Unbekannter mehr. Mit seinen originellen Projekten Stunde Null und Murx den Europäer, vorgestellt beim Prager Theaterfestival deutscher Sprache 1998, zeigte er dem tschechischen Theater neue Möglichkeiten auf und wirkte inspirativ vor allem auf die junge Generation.
Seit seinem Prager Gastspiel hat sich im Künstlerdasein von Christoph Marthaler allerdings viel verändert. Das Leben des Regisseurs, der zusammen mit einer Handvoll gleichgesinnter Schauspieler, bildender Künstler und Musiker ständig zwischen Hamburg, Berlin, Zürich, Salzburg oder Basel pendelte, erfuhr mit der Übernahme einer leitenden Theaterfunktion ziemlich überraschend eine entscheidende Wende: Er wurde Generalintendant des Züricher Schauspielhauses, der bedeutendsten Schauspielbühne in der Schweiz. Die erste Saison eröffnete er mit seinem charakteristischen "Rückkehrer"-Projekt Hotel Angst - einer politischen Satire und einem "Klagegesang" über sein Heimatland, die Schweiz.
Für sein großzügig konzipiertes Schweizer Programm erwarb er zusätzlich zum traditionellen Theatergebäude "Am Pfauen" die untypischen Räume in der ehemaligen Werfthalle "Schiffbau", die nicht nur eine außerordentlich große dramaturgische Vielfalt ermöglichen, sondern auch das Experiment, mit noch unverbrauchten Inszenierungsmethoden und Ausdruckmitteln zu arbeiten. Für die Realisierung seiner Vorhaben holte er - außer seiner treuen Mitarbeiterinnen, der Dramaturgin Stefanie Carp und der Bühnenbildnerin Anna Viebrock - eine Reihe reifer und gerade heranreifender Regisseure an das Züricher Theater, alles Theaterschaffende mit einer individuellen Handschrift (Luc Bondy, Frank Castorf, Falk Richter, Jossi Wieler, Stephan Pucher und viele andere) an das Züricher Theater.
Als Regisseur hat sich Marthaler selbst einer interessanten Konfrontation ausgesetzt - er führt eine Inszenierung der Shakespeare-Komöide Was ihr wollt parallel zu zwei anderen, völlig unterschiedlichen Shakespeare-Inszenierungen auf, dem Sommernachtstraum von Stephan Pucher und einem völlig unkonventionellen Hamlet von Christoph Schlingsief.
Shakespeares Komödie Was ihr wollt (in Tschechien meist unter dem Titel Drei-Königs-Abend bekannt) wird seit Jahrhunderten auf europäischen Bühnen immer wieder gern gesehen. Gespielt wird sie vor allem als ein "erfolgssicherer Titel", als Fastnachts-Schelmenstück mit effektvollen Verwechslungen und Missverständnissen, als ein Lustspiel, das mit der burlesken Komik der Nebenfiguren das Publikum zu schallendem Lachen bringt. Viele Regisseure reizt diese Komödie allerdings auch mit ihren anderen Nuancen und Ebenen. In der Linie des verliebten Suchens und Schwärmens lesen und hören viele auch eine quälende existenzielle Unsicherheit der Helden in Bezug auf die eigene Indentität und die ihrer ersehnten Objekte. Aus der kontrapunktiert geführten, burlesken Komik klingt unüberhörbar eine schwermütige Trauer heraus.
Marthaler hat die Erwartungen an eine originelle Inszenierung dieser "abgedroschenen" Komödie nicht enttäuscht. Das Zusammentreffen seiner legendären "Ästhetik der Langsamkeit", seiner Methode der verbalen und musikalisch-verbalen Collage, die zu einem modernen Gesamtkunstwerk tendiert, mit der Traumwelt von Shakespeares Komödie führte auf allen Ebenen zu einer sehr individuellen Bühnendarstellung dieser von unerfüllter Sehnsucht durchdrungenen Komödie. Wenn Was ihr wollt als Shakespeares musikalischste Komödie gilt, so haben sich hier die Musikalität des Dramatikers und des Regisseurs die Hand gereicht. Auch hier gelten die Worte von Stefanie Carp, mit denen sie Marthalers Theaterschaffen einmal so charakterisierte: "Der Erzähler in Marthalers Abenden ist Musik. Die Tempi, der Rhythmus, die Überdrehungen und Wiederholungen. Marthaler inszeniert komplizierte Partituren, die er aus Tönen, Worten, abgezirkelten Zonen des Schweigens und Bewegungsabläufen komponiert hat. Über Musikalität erzeugt sich die Schönheit seiner hässlichen Abende. Die Musik gibt den Menschen ihre verlorene Würde zurück und versetzt sie in einen Stand der Gnade."
Das Schauspielhaus Zürich wurde in der diesjährigen Umfrage der Zeitschrift Theater heute "Theater des Jahres". Ueli Jäggi, Ensemblemitglied dieses Theaters, wurde als "Malvolio" in "Was ihr wollt" zum Schauspieler des Jahres gekürt.

5.11. Mo - 6.11. Di Schauspielhaus Graz
DAS PULVERFASS Dejan Dukovski
Regie: Dimiter Gotscheff
Divadlo Komedie

Ein bulgarischer Regisseur heute ein Star des deutschsprachigen Theaters, ein mazedonischer Autor und Schauspieler einer österreichischen Bühne schufen eine Inszenierung, die Figuren des Stückes einen "Reigen der Gewalt" tanzen lässt. Elf Szenen, elf Tote oder Schwerverletzte - das alles spielt sich an der Grenze von Komik und Tragik ab, wo auch die nötige Dosis schwarzer Humor nicht fehlt. Die destruktive Energie, die unauffällige Nachbarn zu Mördern werden lässt, ist allerdings nicht nur eine Erscheinung des vom Zerfall traumatisierten ehemaligen Jugoslawiens allein…


7.11. Mi
FILM ZUM THEATER
(15.00 Das Pulverfass, 17.00 Bremer Freiheit, 19.30 Das Fest)
Kino Ponrepo

Drei Titel des diesjährigen Festivals bieten Gelegenheit, die Theater - und Filmbearbeitung des gleichen Stoffes miteinander zu vergleichen. Eintrittskarten an der Kinokasse.


8.11. D -9.11. Fr Düsseldorfer Schauspielhaus
NORWAY TODAY Igor Bauersima
Regie: Igor Bauersima
Divadlo v Dlouhé

Adam und Eva im Internet-Zeitalter! Werthers Geschichte in der Computer-Welt! - So lässt sich das Stück und die Inszenierung von Igor Bauersima, einem Schweizer Architekten, Autor und Regisseur tschechischer Herkunft, charakterisieren. Inspiriert von einer wirklichen Begebenheit, bei der ein junger Mensch im Internet einen Partner für den gemeinsamen Selbstmord fand, schuf er die "Geschichte des abgesagten Todes", eine herzergreifende und humorvolle Episode, die mit virtuosen Theatermitteln und einer Live- Video-Projektion erzählt wird.


10.11. Sa Peter Ustinov
BILDER EINER AUSSTELLUNG, KARNEVAL DER TIERE
Texte: Peter Ustinov, Musik: Modest Mussorgsky, Camille Saint- Saëns,
Klavier: Anthony und Joseph Paratore
Státní Opera Praha

Sir Peter Ustinov, weltbekannter Theater- und Filmschauspieler (unvergessen als Detektiv Hercule Poirot oder Kaiser Nero im Monumentalfilm Quo vadis), Dramatiker, Regisseur und Schriftsteller, ist auch ein zauberhafter Erzähler. Seine Liebe gehört von jeher alten oder weniger bekannten musikalischen Werken, die er dem Zuschauer von heute mit seinen Texten näher bringt und mit seinem Erzählen zu neuem Leben erweckt.


11.11. So - 12.11. Mo Schauspiel Staatstheater Stuttgart
BREMER FREIHEIT Rainer Werner Fassbinder
Regie: Jacqueline Kornmüller
Divadlo na Vinohradech

Der geniale Dramatiker, Theater-, Filmregisseur und -schauspieler Rainer Werner Fassbinder versetzte den Fall der Bremer Giftmörderin vom Anfang des 19. Jahrhunderts - unter Beibehaltung des zeitgenössischen Kolorits - in ein allgemeineres Bild der Gesellschaft und der Erniedrigung einer Frau, die in ihrem Aufstand schreckliche Verbrechen verübt. Die Regisseurin Kornmüller, die über die Fähigkeit verfügt, sich in die Handlung hineinzuversetzen und ebenso einen leichten ironischen Abstand zu ihr zu gewinnen, verlieh ihrer Inszenierung eine poetische und zugleich stark appellative Prägung.


13.11. Di - 14.11. Mi Staatsschauspiel Dresden
DAS FEST Thomas Vinterberg, Mogens Rukov
Regie: Michael Thalheimer
Divadlo Archa

Zur Geburtstagsfeier des Vaters kommt die ganze Familie zusammen. Gegenseitig zugefügtes Unrecht und erlebte Familien-Traumen münden in ein wirkliches Drama… Mit aktiver Teilnahme des Publikums verwandelte sich hier der berühmte dänische Film, der im Geiste des Manifests Dogma gedreht wurde (1998 gewann er den Großen Preis von Cannes), in ein aufregendes Theaterereignis, das das "intensivste Erlebnis" des diesjährigen renommierten Berliner Theatertreffens wurde.


15.11. Do - 16.11. Fr schauspielhannover
WERTHER! Johann Wolfgang von Goethe
Regie: Nicolas Stemann
Divadlo Komedie

Das berühmte Werk Goethes erregt durch seine unsterbliche Liebesgeschichte bereits seit seiner Entstehung im Jahre 1774 und lockt Theatermacher und Schauspieler immer wieder zu einer bühnen Gestaltung. Philipp Hochmair, der Hannoveraner Hamlet-Darsteller, erzählt die tragische Werther-Geschichte aus der Sicht von heute und zugleich aus einem sehr persönlichen Blickwinkel, wobei er einfallsreich Videoprojektionen zu Hilfe nimmt.


17.11. Sa - 18.11. So schauspielhannover
HAMLET William Shakespeare
Regie: Nicolas Stemann
Divadlo na Vinohradech

Hamlet ist die "menschliche Verkörperung des Weltgeistes", der weltliche Heiland und intellektuelle Jesus - behaupten die Autoren der Hannoveraner Inszenierung, die Shakespeares Meisterwerk in das heutige Deutschland versetzen. Die hinreissende Inszenierung, die das Werk einer der Schlüsselfiguren des derzeitigen Generationswechsels im deutschsprachigen Theater ist, fesselt mit ihrer reichen Spielfreudigkeit und überrascht mit ihrer verschmitzten, ungewöhnlichen und ganz modernen Interpretation von Shakespeares Personen.